Der englischen Sprachvermittlung wird der Stecker gezogen
von Francesco Cassano
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Warum Teaching Unplugged traditionell und revolutionär zugleich ist

Als Professor Scott Thornbury, inspiriert von der Dogma 95-Bewegung um die dänischen Filmemacher Lars von Trier und Thomas Vinterberg, seinen Artikel „A Dogma for EFL“ im Jahr 2000 veröffentlichte, ahnte der gebürtige Neuseeländer vermutlich noch nicht, welche Entrüstungsstürme er damit auf sich ziehen würde.

Ähnlich wie von Trier und Vinterberg eine Rückbesinnung des Films auf seine Wurzeln und damit einen radikalen Verzicht auf technische Spezialeffekte forderten, strebte Thornbury die Rückkehr zu einem weitestgehend technikfreien Unterrichtsraum für die englische Sprachvermittlung an. Das allein hätte man freilich einfach als eine etwas rückständige Ansicht ansehen und zur Tagesordnung im Lehrbetrieb übergehen können. Was aber in der Zeit nach der Veröffentlichung seines Artikels die Gemüter erregte und Linguisten, Pädagogen und vor allem Lehrbuchautoren gegen den heute Achtundsechzigjährigen aufbrachte, waren zwei seiner insgesamt zehn Postulate für eine Neuausrichtung der englischen Sprachvermittlung (ELT). „Materials Light“ sollte der Sprachunterricht werden, und statt konstruierter und lerngerecht aufbereiteter Hör- und Lesetexte ausschließlich authentisches Material im Sprachtraining Anwendung finden. Außerdem plädierte Thornbury für eine Revision der Rolle der Grammatik als das alles überragende kurrikulare Ordnungsprinzip und prangerte sehr anschaulich das häppchenweise Verabreichen von „Grammar Mc Nuggets“ an.

Wie aber soll Sprachunterricht effizient und vor allem motivierend sein, wenn er nicht nur auf die uns so liebgewordene und allgegenwärtige IT-Technologie, sondern auch noch weitgehend auf publiziertes Lehrmaterial verzichtet? Die schlichte Antwort auf diese Frage lautet: durch Kommunikation und kontinuierliche Interaktion der gemeinsam Lernenden. In der Tat: Sprache muss gesprochen werden und wird am besten erlernt, indem man sie benutzt, statt sich mühsam das ihr zu Grunde liegende Regelwerk anzueignen, ohne dadurch jemals wirklich zu einem kompetenten Nutzer eben dieser Fremdsprache zu werden. Begreiflich daher, dass Scott Thornbury wirklichkeitsnahe und damit echte kommunikative Interaktion zum Kernprinzip seines Konzepts für eine neue englische Sprachvermittlung erhebt. Eine Forderung freilich, für die er abermals harsch kritisiert wurde. Einerseits würden in einem ausschließlich auf Kommunikation basierenden Unterrichtskonzept muttersprachliche Lehrer bevorzugt und nicht-muttersprachliche entsprechend diskriminiert, und andererseits öffne Teaching Unplugged und sein radikal kommunikativer Ansatz dem beliebigen ”Geschichtenerzählen” im Sprachtraining Tor und Tür, ohne dass im Entferntesten noch von Sprachunterricht die Rede sein könne. Thornbury entkräftet den zweiten Punkt in seinem gemeinsam mit Luke Meddings 2009 veröffentlichten Buch „Teaching Unplugged“,1 dadurch, dass er umfassendes und kundiges Trainer-Feedback gewissermaßen zur conditio sine qua non seiner Dogme ELT-Lehrmethode erhebt. Dabei sollen nach Thornburys Ansicht Feedback und Input miteinander auf sinnvolle und instruktiv-informative Weise verknüpft werden. Aufbauend auf der Sprache, die von den Lernenden in einer kommunikativen Aktivität verwendet worden ist (emergent language) bietet die Lehrkraft nicht nur eine umfassende Fehleranalyse, sondern zugleich strukturellen Input zu Vokabel- und Grammatikthemen. Eine derartige Unterrichtsform ist erkennbar Lerner-zentriert und verlangt von den eingesetzten Trainern ein Höchstmaß nicht nur an Spontaneität und Flexibilität, gilt es doch schließlich, jederzeit spontan auf Erklärungs- und Lernbedürfnisse eines jeden Kursteilnehmers einzugehen, sondern vor allem auch umfassende Fachkenntnis und ein großes Repertoire an didaktischen Techniken und Kniffen, um dieses Fachwissen jederzeit und Lernern jedes Levels gleichermaßen verständlich vermitteln zu können.

Mit diesen hohen Anforderungen an die Trainer in der „Teaching Unplugged“- Methode wird zugleich auch das Argument 1 Teaching Unplugged“ – Dogme in English Language Teaching, Scott Thornbury / Luke Meddings, DELTA Teacher Development Series, 2009 der angeblichen Bevorzugung von muttersprachlichen Trainern entkräftet – schließlich ist das flüssige Beherrschen einer Sprache nicht mit Sprachwissen und der Vermittlungsfähigkeit dieser Sprache gleichzusetzen2. Wenn dem so wäre, hätten wir schließlich hierzulande potentiell 80 Millionen Deutschlehrer*innen.

Ob man Scott Thornburys Ansichten teilt oder ihnen kritisch gegenübersteht, sie haben ganz sicher dazu beigetragen, dass die ELT-Gemeinde aus dem Dornröschenschlaf der schönen neuen Lernwelt zwischen Blended Learning, interaktiven Whiteboards, Tablets und Apps aufgestört worden ist und sich der Frage gegenüber sieht, ob die Rückkehr zu einem 100% auf menschliche Interaktion setzenden Sprachunterricht nicht eine viel größere Revolution darstellt als das Überfrachten der Klassen- und Kursräume mit immer mehr Technologie.

1Teaching Unplugged“ – Dogme in English Language Teaching, Scott Thornbury / Luke Meddings, DELTA Teacher Development Series, 2009

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